Donnerstag, 18. November 2010

EU-Hotline

18. November 2010
Für vermisste Kinder - unter den Fittichen eines Jugendamtes?

Die EU-Justizkommissarin Viviane Reding ist sauer auf Deutschland. Seit drei Jahren gebe es die Hotline 116 000 für vermisste Kinder, aber im Kristina-Schröder-Land sei diese Notfallnummer immer noch nicht frei geschaltet worden. Bleibe das so, werde sie gesetzliche Verpflichtungen auf EU-Ebene in die Wege leiten. Schließlich sei das Verschwinden eines Kindes - so Viviane Reding - immer eine Tragödie.

Allerdings birgt die Einrichtung der Hotline 116 000 in Deutschland Gefahren, da sie auch von Eltern gewählt werden könnte, die ihre Kinder vermissen, weil sie unter den Fittichen eines Jugendamtes verschwunden sind. Behördenflügel können schwer werden wie Blei -  und bleiern vergeht die Zeit.

Wenn man es dann noch - wie aktuell in Münster - mit einem Jugendamtsmitarbeiter und einem juristischen Vertreter der Stadt zu tun bekommt, die auf der Zeitschiene erfundene und tatsächliche Ereignisse durcheinander würfeln, stirbt der Vogel.

Da beklagt sich doch ein im Oktober 2010 nachweislich Urlaub machender Jugendamtsmitarbeiter darüber, eine Mutter habe in dieser Zeit den Kontakt zu ihr abgebrochen. Hätte sie ihm hinterher reisen sollen? Nein, sie hat mit einer Kollegin des Urlaub machenden Mitarbeiters gesprochen.

Diese Mutter wartet derweil auf ein mündliches Verfahren vor dem Oberlandesgericht in Hamm, das am 23. November 2010 stattfinden soll. Von dem Vorwurf, sie habe den Kontakt mit jenem Jugendamtsmitarbeiter abgebrochen, erfährt sie am 17. November 2010, also sechs Tage vor dem Gerichtstermin. Der Rechtsbeistand hat deswegen umgehend die Einstellung des Verfahrens beantragt, weil eine angemessene Verteidigung (Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention) kaum noch möglich sei. Somit sei auch ein faires Verfahren fraglich.

Diesen Rechtsbeistand hat sich jetzt ein juristischer Vertreter der Stadt Münster vorgeknöpft. Der schreibt an das Verwaltungsgericht in Münster, dieser Rechtsbeistand habe für eine "Eskalation der Situation" gesorgt: "Er strebt eine Vielzahl von Verfahren an. Aktuell liegen drei Verfahren neu zur Entscheidung beim Familiengericht Münster."

Mit dem Fall betraut ist dieser Rechtsbeistand seit Ende September 2010. Zu jener Zeit gab es bereits einen Familiengerichtstermin für den 29. November 2010. Ursprünglicher Termin war der 11. Oktober 2010. Für diesen Termin stellte jener Rechtsbeistand am 4. Oktober 2010 einen  Eilantrag.

Außerdem bat der juristische Vertreter der Stadt Münster das Verwaltungsgericht von Münster um Aufschub. Die Akten könne er erst Anfang Dezember 2010 übersenden. Diesen Zeitaufschub hat der Rechtsbeistand der Mutter umgehend für sinnlos erklärt. Begründung: "Das Jugendamt von Münster benötigt keine Akten für die Geschichten, die von diesem Jugendamt erzählt werden."

Die inzwischen fast eineinhalbjährige Tochter ist seit dem 24. September 2009 nicht mehr bei der Mutter, der inzwischen dreijährige Sohn seit über einem halben Jahr. Doch bis heute hat das Jugendamt von Münster dafür keinen rechtskräftigen Gerichtsbeschluss.

Trotzdem sucht das Jugendamt von Münster auch schon emsig nach einer Pflegefamilie für die fast Eineinhalbjährige. Begründet wird das mit der Ablehnung eines Verfahrenskostenhilfeantrages der Mutter vom 17. August 2010 für das Verfahren vor dem Oberlandesgericht Hamm. Eine solche Ablehnung stellt zwar immer einen Wink mit dem Zaunpfahl dar, ersetzt aber keinesfalls einen Gerichtsbeschluss in der Hauptsache.

Schließlich wird am 23. November 2010 auch ein Vertreter des Jugendamtes in Hamm erscheinen müssen. Der Pflegefamilien-Sucher wird wohl kaum kommen, der stellvertretende Jugendamts-Leiter hat bereits sein Kommen signalisiert. Er wolle die Sache in Ruhe besprechen, sagt er. Mit solchen Vorgaben? Auf der Basis von Tatsachenverdrehungen eines Mitarbeiters?

Die Richter, die der Mutter keine Verfahrenskostenhilfe gewährt haben, sind inzwischen von dem Rechtsbeistand der Mutter wegen Befangenheit abgelehnt worden. Über diesen Antrag ist noch nicht entschieden worden. Was aber an der Munterkeit des Jugendamtes von Münster nichts ändert? Pflegefamilie suchen ist ja nie weg?

Mit welcher Dreistigkeit Jugendamt und juristischer Vertreter der Stadt Münster mittlerweile Wirklichkeit und Fiktion vermischen, wäre für jeden Vogel eine tödliche Mischung. Dass dieser Vogel stirbt, weiß auch der Oberbürgermeister von Münster. Der rührt sich aber nicht. Und da wundert sich die EU-Justizkommissarin Viviane Reding darüber, dass Deutschland die Hotline 116 000 nicht frei schaltet? Kinderfreundliches Behörden-Verhalten in diesem Land ist doch nicht erst seit gestern nur auf EU-Ebene durchzusetzen. Durch zu drücken wäre wohl treffender.

Inzwischen freut man sich doch schon über jede Ausnahme...So sieht er aus: der Ausnahme-Zustand im Kristina-Schröder-Land...

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