16. August 2010
...und somit kostbar
So ist das im Kapitalismus: Werden Güter knapp, werden sie kostbar. Jetzt sogar Kinder. Die sollen endlich besser geschützt werden vor klagewütigen Miesepetern, die juristisch vorgehen gegen Bolzplätze, Spielplätze und Kindergärten. In Berlin hat deswegen fast schon Ausnahmezustand geherrscht. Jagte dort irgendwo ein Kind hinter einem runden Leder her, drohten mindestens zwei Anlieger mit Klagen. Und schon kuschten die Behörden. Der Sportsenator von Berlin richtete deswegen einen Appell an die Ämter und kritisierte den vorauseilenden Gehorsam des Amtsschimmels.
Negativ auffällig wurde auch der Oberbürgermeister von Wilhelmshaven. Eberhard Menzel sehnte sich so sehr nach Bauland auf einem Bolzplatz, dass er unbedingt beweisen wollte, dass spielende Kinder dort nicht anzutreffen waren. Deswegen ließ er Handyfotos machen, auf denen niemand herumtobte. Eine Schule vor der Haustür des Oberbürgermeisters wurde geschlossen, was immer noch viele nicht verstanden haben.
Diesen Kinderfeinden soll jetzt das Handwerk nicht mehr so leicht gemacht werden. Die Bundesregierung will Klägern den Gang zum Gericht erschweren. Bundesbauminister Peter Ramsauer in einem Gespräch mit den "Ruhr-Nachrichten": „Kinderlärm ist doch keine schädliche Umwelteinwirkung, vor der die Bürger mit einem Gesetz geschützt werden müssen." Das Baugesetzbuch soll novelliert werden. Im Bundesimmissionsschutzgesetz soll demnächst stehen, dass es sich bei "Kinderlärm" nicht mehr um eine "schädliche Umwelteinwirkung" handelt. Dann dürfen Kindergärten in Wohngebieten auch ohne Ausnahmegenehmigung gebaut werden.
Dass sich die Bundesregierung mit diesem Thema beschäftigen muss, beweist: In diesem Land gibt es so viel schleichenden Irrsinn, dass Kinder gar nicht laut genug sein können!
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