22. Oktober 2011
...wir behalten können
Das Jugendamt ist lieber draußen geblieben. Dermaleinst beherbergten wir eine Mutter und einen Jungen, die alle paar Wochen den Wohnort gewechselt hatten.
Nennen wir den Jungen Tobias. Für Tobias besorgte ich einen Schulplatz, er fand schnell Freunde, seine Noten wurden besser. Doch eines Feierabends waren Mutter und Sohn verschwunden.
Meine Frau freute sich schon auf nach Hause kommen, nackt durch die Wohnung laufen und auf noch viel mehr Ungezwungenes, als das Telefon klingelte. Tobias war am Apparat. Seine Mutter habe ihn in einer Wohnung zurückgelassen, berichtete er, Licht könne er nicht machen, aber er wisse, wie die Straße heiße.
Ich fuhr los und holte Tobias ab. Am nächsten Tag rief ich das zuständige Jugendamt an. Ich erzählte einer Mitarbeiterin, was geschehen war, der fiel zu den Ereignissen eine Frage ein, auf die ich nie gekommen wäre: "Was wollen Sie eigentlich von mir?" Nach dieser Frage nichts mehr. Ich legte auf.
Tobias ging weiter zur Schule, die Mutter blieb verschwunden. Wir wurden eine kleine Familie. Bis ich auf die Idee kam: Ich mache mich auf die Suche nach dem Vater. In der Stadt, in der Tobias zur Welt gekommen war, rief ich alle Familien an, die seinen Nachnamen trugen. Kein Vater von Tobias dabei. Dann rief ich alle Familien an, die den Nachnamen der Mutter hatten. Nach drei Tagen hatte ich eine ältere Frau am Apparat. Die Oma von Tobias. Die fiel aus allen Wolken, hatte schon lange nichts mehr von ihrer Tochter und ihrem Enkel gehört. Sie gab uns die Telefonnummer des Vaters von Tobias, der wieder geheiratet hatte.
Nach einem Treffen wurden wir uns einig, dass der Junge bei seiner Oma am besten aufgehoben war, denn der Junge wollte unbedingt eine Lehre bei Krupp in Essen machen. Die Großmutter wohnte in der Nähe.
Tobias packte seine Siebensachen. Alles lief reibungslos. Weil das Jugendamt draußen bleiben wollte?
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