Montag, 24. August 2009

Jugendschutz

24. August 2009
Immer mehr Gewalt und Pornografie im Netz

Immer mehr Kinder und junge Leute werden im Netz sexuell belästigt, gemobbt oder zu Dummheiten verführt. Das geht aus dem heute veröffentlichten Jahresbericht von jugendschutz.net hervor. Diese Zentralstelle der Bundesländer hat zum ersten Mal über 3 000 neue Verstöße registriert. In 1 369 Fällen war Deutschland das Ursprungsland (plus 11 Prozent). Dabei handelte es sich vornehmlich um Pornografie (62 Prozent) und um die Verherrlichung von Essstörungen.

Jens sitzt in jeder freien Minute vor dem Computer seines Vaters. Der Zehnjährige weiß: Papi schaut sich auch gern mal Schweinkram an. Den findet der Junge mühelos, weil sein Vater Spuren nicht verwischt. Der Junge notiert sich die Fundstellen, verteilt sie auf dem Schulhof und wird deshalb von einigen Mitschülern für cool gehalten. Auch in Chaträumen prahlt der Zehnjährige mit seinem Wissen herum.

Web 2.0 fasziniert Kinder und Jugendliche. Sie nutzen Videoplattformen und soziale Netzwerke. Doch die sind nicht ohne neofaschistische Propaganda, Gewaltprediger und sexuelle Belästigungen. Auf Videoplattformen fanden die Jugendschützer 1 460 Gewalt- und Neonazifilme (Vorjahr: 660), in sozialen Netzwerken stieg die Zahl pornografischer Beiträge und rechtsextremer Hasspropaganda.

Jessica kann im Netz ebenfalls tun und lassen, was sie will. Entdeckt sie neue Seiten, meldet sie sich dort an und da sie sich selbst für süß hält, gibt sie sich entsprechende Namen. Dann fährt der 13-Jährigen der Schreck in die Glieder. In einem Chatroom macht ihr jemand eindeutige Angebote. Was tun? Ihre Mutter kann sie nicht fragen. Die weiß nicht einmal, wie man eine mail schreibt.

Bei jugenschutz.net gingen im vergangenen Jahr 10 800 Beschwerden und Anfragen ein (plus 17 Prozent), 6300 Websites wurden unter die Lupe genommen, die 69 wichtigsten Chats und Communities standen stets auf der Kontrollliste, außerdem wertete die Zentralstelle 12 800 Fundstellen in Suchmaschinen und auf Videoplattformen aus.

Immer noch gibt es unzählige Eltern, die nicht wissen, wohin ihre Kinder im Internet surfen. Beklagen die Jugendschützer. Viele Mütter und Väter kümmern sich auch nicht darum. Geändert werden soll das mit LAN-Partys für Eltern, die beispielsweise in Niedersachsen mit steigendem Erfolg gefeiert werden, und mit dem Projekt Eltern-Medien-Trainer, das ebenfalls in Niedersachsen entwickelt worden ist.

Dienstag, 18. August 2009

Hannoversche Familienpraxis

18. August 2009
Gewalt in Familien: Sparkasse Hannover rettet Pilotprojekt

Die „Hannoversche Familienpraxis“ für Mütter und Väter, die Gewalt anwenden, wäre beinahe aus Geldmangel wieder beendet worden, 2008 übernahm der hannoversche Verein „Die Waage“ die Betreuung von zehn Familien, die zu tätlichen Auseinandersetzungen neigten, dieses Pilotprojekt war erfolgreich, die Vereinskasse leer. Deswegen konnte in diesem Jahr erst einmal nicht weiter gemacht werden. Doch jetzt ist die Sparkasse Hannover eingesprungen.

Gelernt hat die „Hannoversche Familienpraxis“ vom so genannten „Cochemer Modell“. „Wenn einer den Gerichtssaal als Sieger verlässt, hat das Kind verloren", sagt der Familienrichter Jürgen Rudolph, der in drei Jahrzehnten über mehr als 4 000 Scheidungen zu Gericht gesessen hat. 1992 gehörte er zu den Initiatoren des Arbeitskreises Cochem, in dem Vertreter der Lebensberatung, des Familiengerichtes, Gutachter, das Kreisjugendamt, Mediatoren und Anwälte des Landkreises sitzen.

Kinder leiden unter Trennungen, dieses Leid wird verstärkt, wenn sich die Eltern während des Trennungsprozesses in die Haare bekommen. Das will dieser Arbeitskreis verhindern. Gelingt es nämlich einem Elternteil, das Kind gegen den anderen Elternteil aufzuhetzen, ist für das Kind eine negative soziale Karriere fast schon vorgezeichnet. Das beweisen Forschungen in den USA. Auf solche Forschungsergebnisse greift der Arbeitskreis Cochem oft zurück, denn in Deutschland steckt die Wissenschaft auf diesem Gebiet noch in den Kinderschuhen.

In der Region Hannover muss die Polizei jedes Jahr um die 3000 Mal ausrücken, um häusliche Gewalt zu beenden. Kinder und Jugendliche geraten immer wieder zwischen die Fronten. Wie man Konflikte friedlich löst, müssen solche Familien erst lernen.

Zur 2006 eingeführten „Hannoverschen Familienpraxis“ gehört ein beschleunigtes Verfahren. Anhörungstermine werden schnell angesetzt. Ob auch gewaltbereite Familien einbezogen werden sollen, ist anfangs umstritten gewesen. Schließlich starteten Amtsgericht und „Die Waage“ das Pilotprojekt.

Den Verein gibt es seit 1990. Er hat bereits angekündigt: „Wir bemühen uns weiter um öffentliche Mittel.“